Pflanzenleben unter anaeroben Umweltbedingungen, die physikalischen Grundlagen und anatomischen Voraussetzungen: — Ein Überblick —

W. Grosse, P. Schröder

Research output: Contribution to journalArticlepeer-review

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Abstract

Die Sauerstoffversorgung bei Pflanzen, deren Wurzeln und Rhizome im anaeroben Sediment der Gewässer oder in den überschwemmten, O2‐armen Böden des Bruchwaldes wachsen, erfordern besondere anatomische Anpassungen. Die Auflockerung der Wurzelgewebe bei Schwarzerlen oder die Ausdifferenzierung eines Aerenchyms bei Wasserpflanzen ist eine wichtige Voraussetzung, durch erleichterte Gaswegigkeit im Innern der Pflanze die Zufuhr von O2 von den luftexponierten Organen her zu ermöglichen. Eine Unterdruckbildung im Bereich der atmenden Gewebe, die auf der gegenüber O2 höheren Löslichkeit des CO2 in Wasser beruht, kann einen Massenstrom von Luft durch das Pflanzeninnere erzeugen, der die reine diffusive O2‐Zufuhr überlagert. Wasserpflanzen des Schwimmblattgürtels wie Nuphar lutea und N. advenum (Nymphaeaceae), Nelumbo nucifera (Nelumbonaceae) und Nymphoides peltata (Menyanthaceae), aber auch Alnus glutinosa als Leitform des Bruchwaldes, bei denen der Sauerstoff große Distanzen zurücklegen muß, um zum Ort des Verbrauchs zu gelangen, verstärken diesen Luftstrom durch Überdruckbildung in den luftexponierten Organen. Die Ausdifferenzierung einer Gewebeschicht mit Interzellularendurchmessern in der Größenordnung der „mittleren freien Weglänge” der O2‐Moleküle befähigt sie, bei Ausbildung einer Temperaturdifferenz zwischen dem Pflanzeninnern und der Atmosphäre, zur Thermoosmose. Dabei tritt Luft entlang eines ansteigenden Temperaturgradienten in die Pflanze ein, um anschließend aufgrund eines entstehenden Überdrucks durch die Pflanze hindurchgedrückt zu werden. Dieser Luftstrom hält an, solange die Pflanze durch Aufnahme von Licht‐ oder Wärmeenergie die Temperaturdifferenz zwischen ihrem Innern mit höherer Temperatur und der umgebenden Luft aufrecht erhalten kann. Durch Ausnutzung dieses, als Knudseneffekt bekannten physikalischen Vorgangs, wird die O2‐Versorgung der heterotrophen, submers wachsenden Organe beträchtlich verbessert. Die Fähigkeit zur thermoosmotischen O2‐Versorgung ist in systematisch sehr wenig verwandten Pflanzenfamilien entwickelt worden. Der Erwerb dieser Fähigkeit muß deshalb als Anpassung an die durch Sauerstoffmangel im Boden charakterisierten Biotope angesehen werden und besitzt große ökologische Bedeutung. Diese Pflanzen haben sich mit der Fähigkeit zum thermoosmotischen Gastransport die Möglichkeit geschaffen, ökologische Nischen, wie sie anaerobe Böden darstellen, auf Dauer zu besiedeln. Es kann deshalb erwartet werden, daß noch weitere Pflanzenarten, die diese oder ähnliche Biotope besiedeln, mit Hilfe von thermoosmotischen Gastransport die O2‐Versorgung ihrer, in anaerobem Milieu wachsenden Organe verbessern.

Original languageEnglish
Pages (from-to)367-381
Number of pages15
JournalBerichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft
Volume99
Issue number1
DOIs
StatePublished - Oct 1986
Externally publishedYes

Keywords

  • Aeration
  • alder‐trees
  • anoxia
  • aquatic vascular macrophytes
  • oxygen supply
  • submergence
  • thermo‐osmosis of gas

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